17. Mai 2024 | Hast du schonmal darüber nachgedacht, dir dein ganz eigenes Ritual zu gestalten? Mit deiner Intention im Gepäck und deinem bewussten Fokus hast du schon das Wesentliche, was du brauchst. Was kann Ritual sein? Welche Elemente sind unterstützend? Und warum braucht es vielleicht erstmal Mut, selbst kreativ zu werden?

Hände, Kerze und Blüten

Die Teezeremonie in Japan, die Puja in Indien oder die Lakota-Schwitzhütte: Über die Jahrtausende und über alle Kulturen hinweg sind Rituale fest im Leben der Menschen verankert. Auch wir kennen Zeremonien und Riten bei wichtigen Übergangen wie Hochzeiten oder beim Abschiednehmen nach dem Tod, zu Geburtstagen oder an besonderen Tagen im Jahr – im christlich geprägten Raum zum Beispiel an Weihnachten oder Ostern. Es gibt hunderte von kraftvollen formellen Ritualen, die dem Alltag Struktur und dem Leben Tiefe geben, eingebettet in das Feld der Tradition, aus der sie entspringen. Formelle Rituale haben einen festen Ablauf und einer festen Absicht. Ich liebe besonders die Rituale rund um den Jahreskreis (wie das Sonnwendfeuer), die die Übergänge der Jahreszeiten mit ihren verschiedenen Qualitäten bewusst einleiten. Aber ist dir bewusst, dass du auch jederzeit die Kraft des Ritualraums anzapfen kannst, indem du dein ganz eigenes Rituale kreierst?

Gestalte dein eigenes Ritual

Intention und Bewusstheit sind die zwei zentralen Aspekte, die ein Ritual von einer sich wiederholenden Handlung unterscheiden. Im Teil 1 des Blogs „Wie Rituale deinem Leben mehr Tiefe geben“ hast du schon gelesen, was ein Ritual zum Ritual macht und welche Intentionen es haben kann. Schlussendliches Ziel eines Rituals ist es, uns zu erinnern, wer wir im Kern sind und anzudocken an die Quelle.

Es hat eine ganze Weile gebraucht, bis ich mir selbst erlaubt habe, Gestalterin meiner eigenen Rituale zu werden. Ein gewisser gesunder Respekt davor und wohl auch der Gedanke, ich hätte nicht genug Wissen dazu, haben mich lange Zeit davon abgehalten. Bei einem Satz aus dem Buch Sacred Circles von Robin Deen Carnes und Sally Craig hat es dann bei mir Klick gemacht: „It takes courage to reclaim ritual“, schreiben die beiden, und beziehen sich dabei auf die Zeit der Hexenverbrennungen und Verfolgung von kraftvollen Frauen, die sich über Rituale mit den Kräften des Lebens verbunden und Heilarbeit geleistet haben. In der Geschichte gab und gibt es viele Leute und Institutionen, die behaupten, sie hätten das Recht auf Ritual für sich gepachtet.

Ja, es gibt ganz besondere Orte und Räume, die als kollektives Feld mit Energie aufgeladen sind. Es gibt große Lehrer und Lehrerinnen, die über ihre Erfahrung, ihr Wissen und ihre Verbindung an das große Ganze mit Demut das Potenzial eines Rituals für uns „aufschließen“ können wie eine Schatzkiste. Solche Orte und Menschen sind unglaublich wichtig und wertvoll. Und: Niemand hat ein Monopol auf die Anbindung an das Leben, an das, was heilig ist. Du kannst jederzeit dein eigenes Ritual gestalten.

Basis für eigene Rituale im Alltag kann sein:

  • Naturzeit im Wald, am Wasser, in den Bergen mit einer bestimmten Intention
  • Die Verbindung mit den Elementen über bewusste Handlungen
  • Eigene Gebete (wie ein Dank vor jedem Essen, ein Morgen- oder Abendgebet)
  • Tanzen, allein oder in Community (z.B. auch Conscious Dance wie 5 Rhythmen und Ecstatic Dance)
  • Singen (z.B. Mantras oder Medicine Songs)
  • Ein Frauenkreis oder Redekreis
  • Deine Yogapraxis, bewusst und mit dem Atem verbunden oder Meditation
  • Einen Garten pflegen
  • Liebe machen
  • Journaling
  • Einen eigenen Altar gestalten
  • Und so vieles mehr …

Die Definition von „Ritual“ ist mal mehr oder weniger fix – je nachdem, wen du fragst. Merk dir vielleicht: Intention und Bewusstheit gehören immer dazu. Roswitha Stark nennt es in ihrem Buch Rituale im Jahreskreis die „Bündelung und Konzentration der geistigen Kräfte“. Wenn du etwas tiefer einsteigen willst: Robin Deen Carnes und Sally Craig identifizieren sechs Elemente, die eine Handlung zu einem potenten, sicheren und verbinden Ritual machen:

Zentrale Elemente eines Rituals

  1. Intention festlegen: Das ist der erste Schritt. Was ist deine Absicht, was möchtest du mit dem Ritual bewegen? Werd dir deiner Intention so klar wie möglich.
  2. Übergang in den Ritualraum: Die Vorbereitung ist ein zentraler Teil eines Rituals.
    Dazu gehört es, den Raum auszusuchen, zu markieren (z.B. mit einem Steinkreis) und ihn vorzubereiten. Überleg dir, welche Ritualgegenstände dich unterstützen können, z.B. Steine, Federn, Kerzen, Blumen oder Räucherwerk. Dann tritt bewusst über die Schwelle: mit Übungen, um im Körper anzukommen, durch bewusstes Atmen, tönen, singen oder in der Gruppe vielleicht Hände fassen.
  3. Spirit einladen: Lad dir positive Unterstützung aus der geistigen Welt ein. Das kann eine Göttin aus dem Hinduismus wie Durga oder Saraswati sein. Mutter Erde, Vater Himmel und die vier Himmelsrichtungen aus dem Schamanismus. Oder das, was du als höhere Intelligenz ansiehst.
  4. Die Handlung: Dann kommt die eigentliche Handlung deines Rituales, die je nach Intention und Ausrichtung sehr unterschiedlich ist. Geh mit dem Herzen voran, lass dir Zeit und mach dich innerlich weit. Du stellst deine Antennen quasi auf „Empfang“.
  5. Ritual schließen: Wenn du einen Ritualraum öffnest, musst du ihn auch wieder schließen. Das kann unterschiedlich aussehen. Schick z.B. einen Dank an die Spirits, an dich selbst, den Ort und an die Menschen, die vielleicht beteiligt waren. Ein Schlusspunkt könnte dein: Kerze auspusten, Lied singen oder 3-mal in die Hände klatschen. Mach innerlich die Ritual-Tür wieder zu und verlasse auch den Raum ganz bewusst und aufgeräumt.
  6. Integration: Je nachdem, wie intensiv dein Ritual war, nimm dir auch genug Zeit zur Integration. Hier kannst du nachspüren, noch eine Weile in Stille sitzen, eine Erkenntnis aufschreiben oder in einer Gruppe ein kleines Sharing starten.

Für dich, für mich, für alles

Ob es dich jetzt zu einem formellen Ritual mit festem Ablauf in einem gehaltenen Rahmen zieht oder du selbst kreativ werden willst und dir dein eigenes Ritual gestaltest: Das, was in einem bewussten, herzverbundenen Raum gesagt, getan und bewegt wird, hat richtig viel Power. Wenn du ein bestehendes Ritual einer Tradition nutz, schau, woher es stammt und schick einen Dank an die Quellen. Dabei hat jede Handlung immer Auswirkung auf das kollektive Feld, denn Energie geht nie verloren. Nimm dir die Zeit, deinem Leben mit Ritualen Tiefe zu geben – Rituale, die zu dir passen und die etwas in dir und vielleicht auch in der Welt zum Leuchten bringen.

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Von Janine Schneider